Schinkenparadies
6000 Schinken. Acht Millionen Scheiben: Die Aria di Festa
An der Piazza Duomo wartet Matteo von der Bruderschaft der Prosciuttificos, der Schinkenhersteller. „Ciao“, ruft der Vierzigjährige, „du musst Hunger haben“.
Keine Frage, ein Befehl! Und so geht es gleich in einer der zahlreichen Prosciutterias, kleine Läden, in denen Schinken verkauft werden – zum sofort Essen oder Mitnehmen.

„Wir haben den besten Schinken der Welt“, stellt Matteo selbstbewusst fest. Der von Parma sei „für Proleten“ und der spanische Bellota „viel zu teuer“.
Dass der Mann nicht falsch liegt, beweist Maria. Sie kommt mit einem Teller Schinken, der so dünn geschnitten ist, dass man das altmodische Blumenmuster im Porzellan erkennen kann. Kein Brot, keine Melonenscheibe.

Der wahre Kenner isst den San Daniele so und nicht anders: Die Scheibe leicht gerollt in einer Hand. Kopf in den Nacken und die Zunge rausgestreckt.
Dann sinkt das Prachtstück langsam auf den Gaumen – und schmilzt mehr als dass es gekaut wird.

Warum der Schinken aus San Daniele so unglaublich zart ist, erklärt Matteo später auf einer Besichtigung seiner Schinkenfabrik.
„13 Monate ruhen die mindestens elf Kilo schweren Keulen hier in den Reifehallen“, erklärt er, während über ihm Hunderte von edelschimmelbesetze Schlegel von der Decke duften.
Vorher wurden sie mit Meersalz eingerieben und getrocknet. „Zuerst am Meer, dann an klarer Bergluft – das ist das Geheimnis der Herstellung.“

Das wollen am Abend auch Tausende von Schinkenfans entdecken, die die Altstadt von San Daniele während der viertägigen Aria di Festa Ende Juli in einen einzigen riesigen Verkostungsstand unter freiem Himmel verwandeln: Ein Meer von Biertischgarnituren bedeckt die Piazzas und ihre Nebenstraßen.
Vom Domplatz dröhnt Italo-Pop, später wird der italienische Comedy-Star Enzo Lacchetti die Besucher zum Lachen bringen.

Rund 1000 San Danieler sind auf den Beinen, um 6000 Schinken in rund acht Millionen Scheiben aufzuschneiden. Serviert wird die Leckerei dann allerdings gerne mit Melone, einem frischen Malvasia aus dem Friaul und – man staune – mit bayerischem Weißbier.
„Der herbe, Geschmack passt vorzüglich zu dem nussigen Aroma des Schinken“, klärt Matteo auf – und ordert gleich nochmal zwei halbe Liter.