Architekturjuwelen

Rioja Alavesa: Weinkultur trifft Baukunst
Mit einem lauten Plopp zieht Simon Arina den Korken aus der Flasche. Der Vino de Garage hat nach achtzehn Monaten im Barrique weitere acht Jahre in der Flasche gelegen, jetzt endlich kann der Wein atmen. Die geschulte Nase des Kellermeisters erkennt Aromen von Dörrbirnen und Kaffeebohnen - „typisch für die Tempranillo-Traube“.
Im Mund schmecke man später vor allem Schokolade und karamellisierte Mandeln, erklärt Simon und gießt drei Finger breit in die bereitgestellten Degustationsgläser.

Das Weingut Baigorri liegt am Rande von Samaniego, eine 303-Seelen-Gemeinde in der baskischen Provinz Álava. Seit der Römerzeit werden hier Reben angebaut.
Im gemäßigten Klima der Region - im Süden vom Ebro begrenzt, im Norden von den mächtigen Bergen der Sierra Cantabrica vor den kalten Atlantikwinden geschützt - gedeihen Tempranillo, Carnacha, Marzuelo vortrefflich und werden von den Kellermeistern der mehr als 300 Weingüter zu Spitzenprodukten ausgebaut.

Einige von ihnen, wie die Bodega Baigorri, sind avantgardistische Meisterwerke der Architektur: Auf einem Hang im 500 Metern Höhe hat der baskische Stararchitekt Iñaki Aspiazu Iza ein sieben-stöckiges Gebäude aus Stahl, Glas und Beton erbaut, dass sich auf abschüssigem Gelände dreißig Meter in den Boden gräbt.
Vom würfelförmigen Glaspavillon, der als Eingang dient, hat man eine phantastische Rundumsicht auf die schneebedeckten Hänge der Sierra Cantabrica, das historische Samaniego mit seine mächtigen Wehrkirche und die mit Rebstöcke bepflanzten Hügel.

Die nächste Ebene dient vor allem als Degustationsraum. Hier können Besucher mit Blick auf die Produktionshallen den Vino de Garage, den Crianza oder den Reserva verkosten. Darunter liegen Sortieranlagen, dann Gärtanks, eine Ebene tiefer die Pressen und schließlich die Lagerhallen.
Durch die vertikale Anordnung könne man die Schwerkraft bei der Produktion nutzen, erklärt Simon. „Von der Anlieferung des Leseguts über die Selektion per Hand und dem Abbeeren bis zum Einfüllen der Trauben in die Gärtanks läuft alles ohne mechanisches Pumpen oder Pressen“. Der Vorteil: Die Haut der Trauben bleibt bis zum Gärprozess unbeschädigt - Voraussetzung für eine optimale Qualität des Weines.

Während sich in der Kellerei Baigorri die Architektur der Weinproduktion unterordnet, steht in der nur neun Kilometer entfernten Bodega Ysios bei Languardia die Ästhetik im Vordergrund.
Kein geringerer als Santiago Calatrava, Erbauer der Metro-Station am World Trade Center in New York, der Wissenschaftsstadt in Valencia und der Samuel Beckett-Bridge in Dublin, hat hier einen modernen Weintempel hingepflanzt, der sich spielerisch in die Landschaft schmiegt: Staunend stehen die Besucher vor einem Silber glänzende Dach, das sich auf 196 Meter sich wie die Wellen der nahen Biskaya vor der Felspanorama der Sierra Cantabrica wiegt.
Die kupferfarbenen Zedernholzwände glänzen in der Sonne. Am Eingang streckt sich eine Glasfront Kathedralengleich in den Himmel. An ihrer Spitze eine dornige Silberkrone.

Fünf Kilometer südlich, in Elciego, entwarf Frank Gehry, der mit dem Bau des Guggenheim-Museums in Bilbao für Furore sorgte, die Ciudad del Vino: Die Stadt des Weins.
Titan, das Lieblingsmaterial des Kanadiers, sorgt in dem als Hotel, Wein-Spa, Restaurant und Tagungszentrum genutzten Gebäude für faszinierende Lichteffekte, wenn sich die baskische Sonne an der spektakulär gebogenen Fassade bricht. Auftraggeber war die 1858 gegründete Weinkellerei von Marqués de Riscal, die älteste Bodega Riojas.

„Wir wollten etwas ähnlich Spektakuläres wie in Bilbao“, erzählt Marketingleiterin Celia Estebas, aber für das Projekt musste der weltberühmte Stararchitekten erst bestochen werden - mit einer Flasche Rioja aus dem Jahre 1929 - dem Geburtsjahr des US-Amerikaners.
Den Wein besorgte der Kellermeister aus dem direkt unter dem eigenwilligen Gebäude gelegenen Weinkeller, der „Kathedrale“. Hier lagern Flaschen jedes Jahrgangs der von der Marqués de Riscal seit 1862 gekeltert wurde.
Ein einmaliger Schatz, weiß Celia, von denen noch gut 90 Prozent - dank perfekter Lagerbedingungen - trinkbar sind und der regelmäßig gehoben wird: Bei historischen Degustationen zu denen das Weingut lädt.