"Zart und wohlschmeckend"

Bedrohte Köstlichkeit: Anchovis aus der Biskaya

Silvia Aranguren streift sich die schwarze Schürze um und setzt das weiße Häubchen auf. Aus einem Plastikeimer fischt sie eine Anchovi, reibt das Salz vorsichtig mit einem kleinen Kunststoffschwämmchen ab, entfernt dabei die Haut und spült mit Wasser nach.
Akkurat legt die 55-Jährige Fisch um Fisch auf ein Küchentuch, schlägt es einmal um und steckt es in eine Zentrifuge, die mit 1400 Umdrehung pro Minute die überschüssige Feuchtigkeit aus der Sardelle schleudert.

 

Silvia arbeitet beim Fischveredler Maisor in Getaria, rund 20 Kilometer von San Sebastian entfernt. Die Stadt, 1209 von König Alfonso VII. gegründet, war einst der wichtigste Hafen der Küstenfischerei des Baskenlandes.
Noch in den Siebziger Jahren zählte die Flotte 27 Schiffe mit einer Gesamttonnage von 1680 Tonnen. Heute sind es nur noch 17 Fischer die mit Booten bis 29 maximal Tonnen vor allem auf Sardellen- und Bonitofang gehen.


"Dabei stand selbst deren Zukunft vor gut zehn Jahren vor dem Aus", erinnert sich Oihana Iribar. Von 2006 bis 2010 war der Fang von Sardellen im Golf von Biskaya verboten, so die Geschäftsführerin des 1999 gegründeten Unternehmens.
Schleppnetzfischer hätte die Art fast ausgerottet, "der von der EU verhängte Fangstopp rettet ihr und unserem Geschäft das Leben".
Seit 2010 hat sich der Bestand wieder erholt, vergangenes Jahr durften die baskischen Fischer rund 6000 Tonnen aus dem kantabrischen Meer holen - unter Aufsicht der EU-Behörde und mit der schonenden Ringwade.

"Dessen Netz reicht maximal 50 Meter tief", erklärt Miguel Bazaes, "damit umschließen wir den Schwarm, heben ihn an und saugen ihn ab", so der Store Manager des Unternehmens.
Diese Methode mit der schon sein Großvater fischte, wird zwar in der Hochseefischerei kritisiert - aber bei den Küstenfischern reduziert sie sogar unerwünschten Beifang und gilt als nachhaltig. "Umso mehr, weil unsere Sardellen-Flotte den Hafen nur einmal im Jahr im Frühjahr verlässt", ergänzt Miguel - kurz nachdem die Fische gelaicht haben. "Dann sind sie besonders zart und wohlschmeckend".


Im Hafen von Getaria gelandet, kommt der Fang sofort ins Salzfass, wo er etwa sieben Monate lang reift.
Frühestens im November sind die Sardellen fertig, haben ihre charakteristische rot-braune Farbe entwickelt und werden bei Maisor nebenan von Mitarbeiterinnen wie Silvia weiterverarbeitet.
"Wir reinigen Fisch für Fisch, jedes einzelne Filet per Hand - anders geht es nicht", so Oihana.



Erfahrene Arbeiterinnen filetieren 100 Sardellen pro Stunde. Gerademal fünf Kilo pro Tag. Mit einer Schere trennen sie den Schwanz vom Fisch, teilen geschickt das Fleisch in zwei Hälfte und ziehen die Gräten heraus.
Stück für Stück wird jedes einzelne Filet nochmal mit Fingerkuppe geprüft, ob sich Gräten verstecken, die dann mit einem Messer abgeschabt werden.
"Nur vollständig gesäuberte Filets kommen ins Glas", bekräftigt die Unternehmenschefin, "werden mit Öl übergossen und fest verschlossen". Wer will, kann sich den Produktionsprozess während einer Besichtigungstour anschauen und in einem Workshop bei Maisor selber Anchovis säubern, einlegen und mit nach Hause nehmen.


Neben Anchovi, gesalzen und in Sonnenblumenöl eingelegt, verkauft das Unternehmen im eigenen Laden am Hafen von Getaria auch Boquerones: In feinem Essig mazerierte Sardellen. Außerdem Makrelen und Bonito aus dem Golf der Biskaya.
Andere Unternehmen würden Fische aus aller Welt, vor allem aus Amerika zukaufen oder ließen gleich in Billiglohnländern wie Mexiko oder Marokko produzieren. "Für uns kommt das nicht in Frage", sagt Oihana. Nur so könne man Qualität garantieren und die traditionelle Fischerei an der baskischen Küste bewahren.