Prachtexemplare

1000 Jahre und älter: Die Olivenbäume von Ulldecona

"Der da", sagt Agusti Vericat voller Stolz und zeigt dabei auf einen knorrigen Baum mit ausladender Krone, "der ist gut 1000 Jahre alt. Und dieser hat mindestens 1200 Jahre auf dem Buckel. Der in der Mitte wurde um 315 gepflanzt, da regierte Kaiser Konstantin der Große das römische Reich".
Der 42-Jährige steht mit einer kleinen Reisegruppe im Naturmuseum Oliveres Millenáries der Finca L'Arión nahe Ulldecona in der Provinz Tarragona. Um sie herum eine stattliche Zahl von Olivenbäumen, die allesamt mindestens 1000 Jahre alt sind.

Prachtexemplare mit gewundenen, schiefen Stämmen, riesigen Wurzel und rissiger Rinde. Aus einem scheint ein Kobold zu glotzen - mit kolossaler Nase und langem Bart. In einem anderen erkennt die Gruppe einen Drachen, dessen langer Schwanz sich um den Stamm windet. Aus dem dritten schält sich der Kopf eines Widders mit seinen mächtigen, geschwungenen Hörnern.
Die Finca L'Arión beherbergt 1355 dieser skurillen Baumgestalten, in der gesamten Region sind es mehr als 4400: Die größte Konzentration von tausendjährigen Olivenbäumen weltweit, darunter auch der älteste Spaniens, der 315 gepflanzte Farga del Arión I. Der Methusalem hat am Boden einen Stammumfang von 12,40 Metern, in 1,30 Metern Höhe sind es immer noch 8,03 Meter. "Aus diesen drei Zahlen lässt sich das Alter ermitteln, ohne den Baum durch eine Stammbohrung zu schwächen", erklärt Agusti den staunenden Besuchern, eine Methode, die wissenschaftlich anerkannt sei.

Warum es ausgerechnet hier, am südlichsten Zipfel Kataloniens, noch heute eine so große Anzahl tausendjähriger Ölbäume gibt, weiß auch der Guide nicht. Einen großen Anteil daran hat aber sicherlich die Familie Porta i Ferrer, die seit 1884 das Landgut L'Arión bewirtschaftet und das ihnen anvertraute Erbe sorgsam pflegen.
In den 2000er Jahren hätten viele Bauern in der Umgebung die uralten Bäume einfach gerodet, um neue, ertragreichere zu pflanzen, erzählt Luis Porta i Ferrer. Oder sie verkauften sie für viel Geld an Unternehmen im Norden, wo sie als Beleg angeblicher Nachhaltigkeit den Firmeneingang schmücken - und nicht selten nach ein paar Jahren jämmerlich eingingen. Die Filmemacherin Iciár Bollaín machte aus dem Stoff ein vielbeachtetes, tragisch-komisches Roadmovie: El Olivo - der Olivenbaum.

"Wir sind einen anderen Weg gegangen, erinnert sich der Firmenchef, "und haben 2006 damit begonnen aus den alten Sorten Farga, Morruda und Marfil ein zertifiziertes Olivenöl der Tausendjährigen zu pressen".
Im ersten Jahr waren es ganze 80 Liter, mittlerweile verkauft die Finca an die 1000 Halbliterflaschen, acht weitere Bauern der Umgebung haben sich dem Projekt angeschlossen. Das so gewonnen Öl - Vilar El Mil-lenari - erziele am Markt einen deutlich höheren Preis - bis zu 20 Euro für den halben Liter. Käufer sind vor allem Restaurants der regionalen Spitzengastronomie: Zum Beispiel das nur wenige Kilometer entfernte Antic Moli.

Doch auch, wenn die Öle immer mehr Liebhaber finden, allein von ihrem Verkauf lässt sich der Erhalt dieser Kulturlandschaft nicht finanzieren. "Die alten Bäume brauchen eine viel intensivere Pflege, dazu tragen sie deutlich wenige Früchte und ernten muss man sie per Hand", weiß Agusti.
Eine Rüttelmachine, wie sie anderen Regionen bei der Olivenernte zu Einsatz kommt, würde die Wurzeln zerstören. "Es bräuchte eine Ausgleichszahlung für die Bauern", findet der Guide, "dafür, dass sie dieses Naturerbe bewahren". Doch weder die katalanische Regierung, noch Madrid oder Brüssel scheinen daran interessiert zu sein.

"Gerade einmal zwei Bäume, der Farga de L Arión I und II, wurden zum nationalen Kulturgut erklärt, ärgert sich Agusti - dabei müssten nicht einzelne Exemplare, sondern die ganze Landschaft geschützt werden: Die Bäume, die Trockenmauern und die traditionelle Produktionsweise der Olivenbauern.
Bis es soweit ist, versucht die Gemeinde Ulldecona mit verschiedenen Projekten Geld für den Erhalt des Olivenhains von L'Arión aufzutreiben: Organisiert werden kulturelle Events wie Theater- und Musikdarbietungen im Hain oder das alljährlich Fest der Tausendjährigen Olivenbäume, dass jeden ersten Samstag im Dezember stattfindet.  

Das ganze Jahr über gibt es Führungen durch das Museo Natural - mit anschließender Verkostung der Milleniumsöle. Kombinieren könne man diese mit einem Besuch der Ölmühle Moli de la Creu der Familie Porta i Ferrer oder mit einem Essen in einem der beiden Sternerestaurants Les Moles und Antic Moli, wirbt Agusti, der für die Gemeinde auch als Tourismusbeauftragter tätig ist.
Auch das Mauren-Castell von Ulldecona lohne einen Besuch. Oder die Felsmalereien in der nahen Serra de Godall - seit 1989 Weltkulturerbe der Unesco. "Die 368 Zeichnungen zeigen einzigartige Jagdszenen der späten Steinzeitmenschen und sind mit 8000 Jahren sogar noch älter als unsere Olivenbäume".