Rotes Gold

Safranfeld bei Mund

Vom Acker in den Mund: Safran-Anbau im Schweizer Kanton Wallis

Die Sonne schiebt sich über die schneebedeckten Gipfel des Nesthorns und strahlt ins Tal. Über Nacht sind violette, sechsblättrige Blumen am Steilhang Kummegge durch das feine Erdreich gestoßen, das erste Tageslicht hat ihnen die Blüten geöffnet und den Morgentau von Blättern und Stempel geschüttelt.
„Jetzt ist eigentlich der richtige Zeitpunkt zur Ernte“, sagt Charly Schnydrig etwas enttäuscht, doch auf dem knapp 20 Quadratmeter großen Acker sind gerade mal 30 Blüten zu entdecken. „Safran ist eine Diva“. Gestern hat noch ein wenig Schnee gelegen. „Vielleicht zeigt er sich deshalb nicht“, vermutet der Präsident des Kulturvereins von Mund und hofft, dass das schöne Herbstwetter die kapriziösen Blumen in den kommenden Tagen an die Oberfläche treibt. 

Brunnen in Mund

Nachweislich seit dem 15. Jahrhundert wird auf den Äckern am Gredetschtal oberhalb von Brig in 1200 Metern Höhe Crocus sativus, Safran, angebaut.
Die Gemeinde Mund, zu der die Parzellen gehören, ist der nördlichsten Flecken auf der Welt in denen das kostbare Gewürz produziert wird.
Das Krokusgewächs kam – der Legende nach – um 1400 aus dem Kaukasus in die sonnenverwöhnte Region. Spanische Söldner sollen sich die Knollen in die Zöpfe gebunden und so eingeschmuggelt haben, denn: Die Ausfuhr war streng verboten, schließlich wurde das kostbare Gewürz in Gold aufgewogen.

Safranpflücker bei der Arbeit

Reich konnte man davon dennoch nicht werden – damals wie heute nicht. „Dafür ist die Arbeit zu mühsam und der Ertrag zu gering“, erklärt Charly.
Rund 1300 Blüten braucht ein Pflücker für ein Gramm. Die Pflanze war für die Bauern im Dorf stets nur eine Nebenerwerbsquelle.
Nach dem Einbringen des Roggens wurde das Feld oberflächlich umgegraben. „Vorsichtig, damit die in 20 Zentimeter schlummernde Knolle nicht nach oben gelangt“. Und während die Natur links und rechts in den Winterschlaf überging, warf die Zwiebel ab Oktober noch ein kleines Zubrot ab.

Dass sich diese mühevolle Arbeit heute überhaupt noch jemand macht, ist Klaus und Daniel Jeitzinger zu verdanken: 1979 gründeten die Brüder die örtlichen Safranzunft, säuberten die verwilderten Grundstücke von Gestrüpp und Brennnessel und steckten die ersten 34 000 Knollen aus Kaschmir in die aufgebrochene Erde.
Heute sind es etwa 60 Familien, die auf rund 200 Parzellen mit einer Fläche von 18 000 Quadratmeter die Krokuspflanze anpflanzen – aus Traditionspflege und fast ausschließlich für den Eigenbedarf.

Ein Großteil der Ernte landet bei Patrick Andenmatten. In seinem Restaurant Safran, zwischen Kirche und Museum gelegen, verbraucht der Koch pro Jahr rund 600 Gramm des kostbaren Gewürzes – immerhin 10 bis zwanzig Prozent der Gesamternte.
„Ich löse die Fäden in Weißwein auf“, verrät der 54-Jährige sein Geheimnis, „und gebe nur einen Teil zum Kochen bei“ – damit sich die Speisen appetitlich färben. Mit dem Rest würzt er das fertige Gericht – und erlangt so ein noch stärkeres Aroma.
Besonders beliebt sei das Safranrisotto und – Andenmattens Lieblingsgericht - ein Parfait aus heimischen Beeren, Orangenlikör und reichlich Safran. „Himmlisch“ und nur hier zu kriegen“. Wer das probieren wolle, der müsse schon nach Mund ins Wallis kommen, lacht Andenmatten.