Jagdfieber
Königliche Knolle: Auf Trüffelsuche in Istrien
Fünf Uhr morgens. Von der mächtigen Mauer des Kastells schweift der Blick über die Motovuner Weinberge in das verträumte Flusstal der Mirna. Der Morgennebel reibt sich den Schlaf aus den Augen, streckt sich, um dann doch noch liegen zu bleiben. Unten im Tal wird schon gearbeitet.

Die Nase dicht am feuchten Boden durchforstet Jacky den Eichenwald. Die 13-jährige Deutsch-Kurzhaar ist ein As bei der Trüffeljagd und verschlagen dazu.
Manchmal, so erzählt ihr Herrchen Verdran Kalcic, läuft sie achtlos an einem Fund vorbei, führt den Trupp ins Dickicht, um dann – wie der Blitz – zurückzukehren, den kostbaren Pilz auszugraben und zu verspeisen. „Die Hunde lieben die Trüffel und arbeiten für sich“, deshalb muss Vedran immer auf der Hut sein.

So wie jetzt: Jacky umkreist aufgeregt einen kleinen Eichensprössling und fängt mit beiden Pfoten an zu graben. „Pusti, pusti“ – weg, weg, ruft Vedran und stupst den Hund zur Seite, gibt ihm einen Hundekuchen zur Belohnung und sticht mit dem kleinen Trüffelmesser vier Mal in die dunkle Walderde. Ein Duft vom Moschus durchströmt die Luft, erdig und raumfüllend. Der 26-Jährige hält einen prächtigen, golfballgroßen Trüffel in seiner Hand. „Mindestens 50 Euro“, sagt er und steckt ihn zufrieden in die weite Manteltasche.

Vedran Kalcic ist einer von 2000 lizenzierten Trüffeljägern in Istrien. Die unterirdisch gedeihende Knolle, Tuber Magnatum Pico, oder Tartuf, wie sie hier genannt wird, ist einer der vielen kulinarischen Bodenschätze, die Istrien zum neuen Mekka der Gourmets gemacht hat. Der Pilz verleiht rustikalen Gerichten, wie der berühmten Fritaja – eine simples Omelette, im Frühjahr angereichert mit wildem Spargel – oder einer schlichten Pasta ein ganz spezielles Aroma. Und in den Eichenwäldern rund um Livade, im Hinterland der größten Adriatischen Halbinsel, gibt es, da lässt Kalcic gar keine Zweifel aufkommen, „die besten Trüffel der Welt“.

Zumindest aber – und das ist amtlich – die Größten: 1999 fand Giancarlo Zigante aus Livade einen 1,3 Kilogramm schweren Koloss – was ihm einen Eintrag in das Guinessbuch der Rekorde bescherte und ihn zum ungekrönten Trüffelkönig von Istrien machte. Wer sein Restaurant in der Ortsmitte besucht, kann den Jahrtausendfund noch bewundern: Am Eingang thront er als bronzene Kopie. Seine Artgenossen finden Verwendung in der hoch gelobten Küche des Nobelrestaurants in getrüffelter Kürbiscremesuppe, in gefüllten Ravioli mit Scampischwänzen in weißer Trüffelsoße oder - ganz exquisit - in einem Trüffeleis.

„Der Fund war der Startschuss einer unglaublichen Erfolgsgeschichte“, erinnert sich Zigante, der mittlerweile über ein kleines Imperium an Feinschmeckerläden herrscht und neben Trüffelprodukten auch Öle, Weine oder feine Saucen vertreibt, „der Aufstieg Istriens in die Riege der Gourmetregionen“. In den Konobas und Gostonica, in denen früher nur Cevapcici und Mixed Grill angeboten wurden, gibt es heute Prsut: köstlicher Schinken, der in Grappa gewaschen und gesalzen und mit Pfeffer eingerieben anderthalb Jahre trocknet. Oder Schulter vom Boskarin, der ältesten Rinderrasse Europas: In der gusseisernen, glockenförmigen Peka, die mit heißer Asche bedeckt wird, schmort das Fleisch zu einer mürben Köstlichkeit oder man serviert ein cremiges Risotto mit feinem Wildspargel aus den Motovuner Wäldern.